Sonntag, 10. August 2008
Der Reisende freut sich über ein Zuhause
Da ich zu mehrdeutigen Aussagen neige, will ich meinem Motto auch hier treu bleiben.

Bedeutung 1: 11.-21.09. komm ich nach Hause und ich freu mich sehr drauf.

Bedeutung 2: wenn wir nicht unterwegs sind, bleiben wir zu Hause. Über die unschlagbar profunde Stimmigkeit dieser (schwachsinnigen) Aussage hinaus, soll das heißen: ich kann behaupten, mich hier zuhause zu fühlen. Möglich macht das neben der Sprache vor allem aber die Tatsache, daß ich mittlerweile mehr als nur die unzähligen Clubs kenne. Letztere sind wohl wie in jeder anderen Stadt eigentlich nichts weiter als eine Anhäufung von Säälen, in die sich Teile der Gesellschaft auf der Flucht vor dem wahren Leben in eine - wenigstens kurzzeitig anhaltenede - Irrealität begeben. Bestes Beipiel: der Ort, an dem der Name Programm ist - "Drunk City". A priori zu wissen, daß ich irgendwann später diese vier Wände verlasse und den Haufen an Frauen mit in der Regel mehr als nur zwei operierten Körperteilen plötzlich gar nicht mehr so häßlich finde, macht mir fast schon Angst.

Nein, grade das tatsächliche Leben "der Leute" in Gdl von verschiedenen Seiten gesehen zu haben, bringt mich der Sache wesentlich näher - glaube ich; Hinterhöfe, Seitenstraßen und Plätze und Personen, die ein Expat von alleine wohl kaum zu Gesicht bekommt - danke Libia.

Schöne Grüße aus dem Land, in dem deine Arbeitskollegen nicht Wolfgang oder Peter heißen, sondern Jesus, Maria und Carlos Santana (der Siemensianer kann ab morgen nachschauen, daß der Namensvetter des berühmten Gitarristen, der im Übrigen auch aus GDL kommt, tatsächlich bei uns arbeitet)

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Tapalpa und Chapala
Gäste sind Gäste, weil sie sich nicht dauerhaft an dem Ort aufhalten, an dem sie Gäste sind. Sofern nicht mit Lethargie gestraft, wollen dieselben - Kay, Dirk und Frank - dann natürlich auch bespasst werden und so haben wir uns auf den Weg nach Tapalpa gemacht.

Sehr empfehlenswert ist das aus mehreren Gründen: getreu dem Motto der Weg sei das Ziel macht schon die Anfahrt über die Serpentinen einen Höllenspaß; vielleicht wars für meine Mitfahrer auch gar nicht schlecht, daß ich (=Motorradfahrer) diesmal keinen Schaltungswagen zur Verfügung hatte. So hielten sich die Beschwerden über Kurvengeschwindigkeiten in Grenzen:-).
Grund zwei: Tapalpa selber. Ein sehr schönes Dorf, daß sich glücklicherweise selber treu bleibt und sich nicht - im Gegensatz zu vielen andern Städten - dem Tourismus total verkauft. Also: keine aufdringlichen Straßenverkäufer und eine ungewöhnlich harmonisch-leise Atmosphäre.



Der Gesellschaftskritische in mir muß an dieser Stelle zwar bemerken, daß auch die Straßenverkäufer nur Ausdruck von Mangel an alternativen Möglichkeiten bishin zu Armut sind und ich als privilegierter Ausländer natürlich gut reden habe. Aber nerven tun die Jungs mich trotzdem - basta.

Grund drei: der Weg zum und der Anblick des tollen Wasserfalls





Wer das jemals nachahmen möchte, sei vorher gebeten, sich vernünftige Schuhe mitzunehmen; nach der Anfahrt auf Super-Offroadpiste - der Nissan-Platina dankts mir heute noch - stehen nämlich 45Minuten Abstieg bevor und hier gibts keine Gondel. Sehr schön!
Danke an Frank übrigens für dieses unvorbereitete Synchronbild mit Dirk!



Aber das Offroadabenteuer sollte noch nicht vorbei sein. Auf dem Rückweg wollten wir "noch mal eben" am Lago de Chapala vorbei. Nicht die 3Stunden Anfahrt an sich sind erwähnenswert, sondern die Straße, über die das bewältigt wurde. Begünstigt durch die Regenzeit und ausgetrickst durch die Karte, die den Eindruck machte, als führen wir auf einer Bundesstraße, brauchten wir für 10km eine Stunde. Wenn ich beim Fahren überhaupt irgendetwas mehr sehen konnte als die Straße unmittelbar vor dem Wagen und vielleicht noch den heroisch vorausfahrenden Frank, war ich froh. Denn dann konnte ich gelegentlich vermeiden, in die metergroßen Schlaglöcher zu fahren. Sowas wollte ich ja immer schonmal gemacht haben - aber dann doch eher mit nem Jeep als mit nem französischen Kleinwagen mit asiatischem Label.

Am See angekommen, blieb uns auch gar nicht mehr viel als zu futtern, noch nen kitschiges Foto zu schießen und uns Richtung Heimat aufzumachen.

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El Distrito Federal
...oder einfach nur el DF ist der Name der Hauptstadt. Warum ich das erwähne, ist wohl nicht erklärungsbedürftig: der nächste Flug stand an und diesmal sollte es in die Höhle des Löwen gehn - in die bevölkerungsreichste Stadt der Welt.

Von vornherein klar war, daß das, was wir hier erleben nur Vorgeschmack oder eben abschreckendes Beispiel sein konnte. Zu versuchen, auch nur 10% des Sehenswerten an einem Wochenende abzugrasen, dürfte Illusion bleiben.

Anreise war Freitagabend in das - standesgemäße - Holiday Inn - direkt am Zocalo, dem Zentralplatz der Stadt. Die Aussicht von der Frühstücksterrasse auf denselbigen am nächsten morgen:



Vorher sollten wir aber erfahren, was uns immer so verheißungsvoll über den Verkehr in der Stadt erzählt wurde. Im Gegensatz zu Meiko - Arbeitskollege, der in seiner Auslandsstation in Peking ist - konnte ich davon keine Fotos machen; ich hatte einfach zu viel Angst um mein körperliches Wohl! Denn die Chilangos sind ein Volk von Menschen, das - soviel ist sicher - noch NIE eine Fahrschule betreten hat, geschweige denn das Wort überhaupt kennt. Alleine auf dem 20-minütigen Weg in unserm Taxi-Panzer (Gott sei Dank) vom Flughafen zum Hotel haben wir mindestens 4Situationen erlebt, die ich in Deutschland als Fast-Unfall beurteilen würde; das Millimeter-Gedrängel im Stau noch nicht mitgezählt.
Bei all dem kommt ein Effekt zum Tragen, den ein deutscher Autofahrer schon aus reiner Liebe zum Fahrzeug in der Heimat wohl nur selten zu spüren bekommt: aus der Annahme heraus, daß alle auf alles aufpassen, was auf der Straße passiert, kann ich ohne zu schauen in irgendeine Himmelsrichtung wechseln. Sollte mir auf diesem Weg die Festkörper-Physik irgendwelche Grenzen setzen, wird mich dieser Festkörper schon vorher drauf hinweisen...mittels Hupen, Winken, Mittelfinger oder sonstwie.

Also im Hotel angekommen, Koffer weg und Libia abgeholt.

Vorgesorgt für das Orientierungswohl hatten wir gleich zweifach: per Informantin Antje, die sich seid ein paar Monaten in diesem Moloch aufhält und per Danilo - ein Original aus der Hauptstadt, den ich während meines Sprachurlaubs in Playa del Carmen ganz zu Anfang kennengelernt hatte.
Das erste, was wir am Samstag gemacht haben, ist erstmal den Touri raushängen lassen: auf dem Plan stand "Pyramiden in Teotihuacan" anschauen. Obwohl natürlich von vornherein klar war, daß wir wohl kaum die einzigen sein würden, hats Spaß gemacht. Zum einen, weil's beeindruckend ist, zum andern, weil's touristisch nicht so ausgeschlachtet wird wir Chitchen Itza (Maya-Pyramiden in Yucatan).



Abends hatte Antje uns eine richtige Landesspetialität ausgesucht: eine Bar mit dem exotischen Namen "Berlin". Dort gab es Getränke aus der fernen Heimat und eine Live-Band, deren Sänger mich daran erinnert hat, daß Joe Cocker auch mal jung gewesen sein muß.

Was ich mir vorher kaum hätte träumen lassen, wird nicht nur in Gdl umgesetzt, sondern auch in DF. Sonntags sind große Straßenzüge bis nachmittags gesperrt und ausschließlci vorgesehen für Fahrradfahrer, Fußgänger, Skater oder sonst wen, der sich unmotorisiert bewegt. Du kannst plötzlich an Stellen Fotos schießen, an die sich sonst nur Suizidgefährdete oder Betrunkene begeben und das Ganze macht irgendwie einen unwirklichen Eindruck.
So verging dann auch der Sonntag mit der zu-Fuß-Entdeckung der Stadt, einer Tour im historischen Zentrum und ein paar Fotos, deren Wolkenszenario auf mich im Nachhinein den Eindruck macht, als sei ich mit dem Rückflug der Hölle grade so entkommen.



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