Sonntag, 18. Mai 2008
Escuinapa & der Banda
oliver berbuer, 19:55h
Ein Kapitel mehr im Buch: "Besuch unbekannter Städte".
An dieser Stelle sollte ich aber lieber Dorf statt Stadt schreiben: Escuinapa kennen selbst unsere Kollegen nicht - bis auf einen. Mazatlan am Pazifik liegt einige Kilometer nördlich als Orientierungspunkt.
Wahrscheinlich würde sich nie ein Tourist - solche sind wir ja schließlich doch irgendwie, auch, wenn wir Gdl als Heimat bezeichnen - in dieses Dorf verirren. Wir schon...
Vicente ist der eine Arbeitskollegen, der aus diesem Dorf stammt. Wenn ich jetzt schreibe, daß auch er Geburtstag hatte, muß ich langsam anfangen, nach dem Anlaß dieser auffälligen Häufung in den letzten Wochen zu suchen...ne, langweilig...
Warum würde sich niemand nach Escuinapa verirren? Weil es dort absolut nichts gibt, was das Abfahren von der Autobahn lohnenswert machen würde. Warum wir dann dort waren? Aus zweierlei Gründen: Vince wollte seine Familie besuchen. Das allein als Grund für 5Stunden Fahrt wär allerdings etwas mager. Also mußte ein Festival herhalten, das dort einmal im Jahr stattfindet. Üblicherweise besteht - zumindest für mich - der Charakter einer Festivität, die sich Festival schimpfen darf, darin, auch über die Grenzen eines Dorfes bekannt zu sein. Der oben erwähnte Nicht-Bekanntheitsgrad ließ mich also schon während der Woche zum ersten Mal aufhorchen. Aber gut: versprochen ist versprochen und wir machen uns auf die (Tor)Tour.
Vorbei an 1001 Militärkontrollpunkt; der Staat, in dem wir verkehren (Sinaloa), ist v.a. einige 100km nördlich für seinen florierenden Drogenhandel mit regelmäßigen Schlachten zwischen Polizei und Kartellen bekannt. Na da sind wir ja genau richtig, oder?! Ich als unverbesserlicher Zivi nehm mir natürlich vor, mit den örtlichen Autoritäten und den aufgeschlossenen Drogenbossen Workshops zur Steigerung der pazifistischen Gesprächsbereitschaft durchzuführen.
Schließlich angekommen, erfahre ich zum ersten Mal, was es heißt, auf eine mexikanische Kirmes zu gehen - daraus besteht nämlich unser Festival. Die Altersstruktur unterscheidet sich von der in Deutschland überhaupt nicht und das Ganze läßt mich sehnsüchtig an gute alte Autoscooterzeiten zurückdenken. Wer jetzt mitkombiniert hat, versteht, warum ich mich schlagartig fehl am Platz gefühlt hab: Leute in annähernd unserem Alter suchen wir vergeblich. Na gut, so leicht laß ich mir die Stimmung nicht ruinieren...
Dabei hatte ich allerdings die Rechnung ohne die lokale Musik gemacht. Neben der wenig erstrebenswerten Eigenschaft des Drogenhandelhauptstaates hat Sinaloa nämlich den Musikstil Banda hervorgebracht.
Was das heißen würde, sollten wir am ganzen Leibe am nächsten Tag erfahren, nachdem wir mangels ausreichender Lichtverhältnisse in den Autos genächtigt haben.
Ich erspar mir hierzu allerdings jegliche Beschreibung der Musik selber; Interessierte hören sich's bitte im Internet an. Die erzielte Wirkung ist nämlich interessanter: morgens um 10h - unsere Zelte sind mittlerweile aufgeschlagen - fangen die Liveauftritte diverser Bandagruppen an.
Es dauert ungefähr 20Minuten, bis in unserer Gruppe die ersten Blicke ausgetauscht werden - sagenwollend: lief das, was die grad spielen, nicht eben schonmal? Naja, is ja nicht schlimm.
Weitere 20Minuten später kommen wir auf unseren Stühlen sitzend und zu in der Lautstärke erhöhter Konversation gezwungen - gegen diese Mischung aus leicht unharmonischer Instrumentalmusik und sparsamen Texten - zu dem Schluß, daß es sich bei dem Konzert entweder
a) um das wiederholte Abspielen einer fünfminütigen Liveaufnahme oder
b) um den Soundcheck handeln muß.
Aber gut:die Sonne scheint, das Meer ruft mit 1-2m Wellen und das bischen Gedudel werden wir auch noch überstehen...dachte ich...
Kurzum: grobe 18 (in Worten: achtzehn!!) Stunden später - also um 4h morgens - wurde der Konzertbetrieb eingestellt. Was dazwischen passiert ist, sollte ich aufgrund des öffentlichen Charakters dieses Texts nicht beschreiben. Vielleicht nur soviel: beiderseitig ging das Verhalten weit über jegliche Geschmacksgrenze hinaus, Kriegserklärungen unsererseits blieben ungehört und schließlich sind wir zu dem Schluß gekommen, daß Banda vor der Verwendung für Festivalmusik als Foltermethode eingesetzt worden sein muß. Anders kann ich mir als Fan von Livemusik nicht erklären, wie ich noch während der Konzerte Kopfschmerzattacken bekommen habe. Bisher kann mit diesem Effekt nur Metallica mithalten - und das wird wohl eher am Platz in der ersten Reihe und den Böllern am Ende gelegen haben.
Diese Veranstaltung hat meiner Fähigkeit zu Toleranz und Schmerzwiderstand alles abverlangt und ich war mehr als nur froh, heute morgen endlich fahren zu dürfen.
Für gewöhnlich pflege ich, zu den Wochenendveran-staltungen Abstand zu gewinnen, um dem Erlebnis - ob positiv oder negativ - Zeit zur Einordnung zu geben. Dieses Mal hab ich das mit Absicht nicht getan.
Aber, genauso wie jedes andere negative Erlebnis, zähle ich auch dieses zu einer wertvollen Erfahrung, da auch das mir gezeigt hat, daß das Leben im Ausland eben nicht immer nur Friede-Freude-sonstwas heißt, sondern genauso wie überall, auch mal so richtig nerven kann.
In dem Sinne freu ich mich jetzt auf zwei Dinge: den hauseigenen Fitnessraum, um meine angestaute Aggression abzubauen und das Kultur-Fest in Gdl, zu dem Deutschland als Gast eingeladen ist: bin gespannt, wie unser Land auf dieser Ebene in Mexiko gesehen und vertreten wird.
An dieser Stelle sollte ich aber lieber Dorf statt Stadt schreiben: Escuinapa kennen selbst unsere Kollegen nicht - bis auf einen. Mazatlan am Pazifik liegt einige Kilometer nördlich als Orientierungspunkt.
Wahrscheinlich würde sich nie ein Tourist - solche sind wir ja schließlich doch irgendwie, auch, wenn wir Gdl als Heimat bezeichnen - in dieses Dorf verirren. Wir schon...
Vicente ist der eine Arbeitskollegen, der aus diesem Dorf stammt. Wenn ich jetzt schreibe, daß auch er Geburtstag hatte, muß ich langsam anfangen, nach dem Anlaß dieser auffälligen Häufung in den letzten Wochen zu suchen...ne, langweilig...
Warum würde sich niemand nach Escuinapa verirren? Weil es dort absolut nichts gibt, was das Abfahren von der Autobahn lohnenswert machen würde. Warum wir dann dort waren? Aus zweierlei Gründen: Vince wollte seine Familie besuchen. Das allein als Grund für 5Stunden Fahrt wär allerdings etwas mager. Also mußte ein Festival herhalten, das dort einmal im Jahr stattfindet. Üblicherweise besteht - zumindest für mich - der Charakter einer Festivität, die sich Festival schimpfen darf, darin, auch über die Grenzen eines Dorfes bekannt zu sein. Der oben erwähnte Nicht-Bekanntheitsgrad ließ mich also schon während der Woche zum ersten Mal aufhorchen. Aber gut: versprochen ist versprochen und wir machen uns auf die (Tor)Tour.
Vorbei an 1001 Militärkontrollpunkt; der Staat, in dem wir verkehren (Sinaloa), ist v.a. einige 100km nördlich für seinen florierenden Drogenhandel mit regelmäßigen Schlachten zwischen Polizei und Kartellen bekannt. Na da sind wir ja genau richtig, oder?! Ich als unverbesserlicher Zivi nehm mir natürlich vor, mit den örtlichen Autoritäten und den aufgeschlossenen Drogenbossen Workshops zur Steigerung der pazifistischen Gesprächsbereitschaft durchzuführen.
Schließlich angekommen, erfahre ich zum ersten Mal, was es heißt, auf eine mexikanische Kirmes zu gehen - daraus besteht nämlich unser Festival. Die Altersstruktur unterscheidet sich von der in Deutschland überhaupt nicht und das Ganze läßt mich sehnsüchtig an gute alte Autoscooterzeiten zurückdenken. Wer jetzt mitkombiniert hat, versteht, warum ich mich schlagartig fehl am Platz gefühlt hab: Leute in annähernd unserem Alter suchen wir vergeblich. Na gut, so leicht laß ich mir die Stimmung nicht ruinieren...
Dabei hatte ich allerdings die Rechnung ohne die lokale Musik gemacht. Neben der wenig erstrebenswerten Eigenschaft des Drogenhandelhauptstaates hat Sinaloa nämlich den Musikstil Banda hervorgebracht.
Was das heißen würde, sollten wir am ganzen Leibe am nächsten Tag erfahren, nachdem wir mangels ausreichender Lichtverhältnisse in den Autos genächtigt haben.
Ich erspar mir hierzu allerdings jegliche Beschreibung der Musik selber; Interessierte hören sich's bitte im Internet an. Die erzielte Wirkung ist nämlich interessanter: morgens um 10h - unsere Zelte sind mittlerweile aufgeschlagen - fangen die Liveauftritte diverser Bandagruppen an.
Es dauert ungefähr 20Minuten, bis in unserer Gruppe die ersten Blicke ausgetauscht werden - sagenwollend: lief das, was die grad spielen, nicht eben schonmal? Naja, is ja nicht schlimm.
Weitere 20Minuten später kommen wir auf unseren Stühlen sitzend und zu in der Lautstärke erhöhter Konversation gezwungen - gegen diese Mischung aus leicht unharmonischer Instrumentalmusik und sparsamen Texten - zu dem Schluß, daß es sich bei dem Konzert entweder
a) um das wiederholte Abspielen einer fünfminütigen Liveaufnahme oder
b) um den Soundcheck handeln muß.
Aber gut:die Sonne scheint, das Meer ruft mit 1-2m Wellen und das bischen Gedudel werden wir auch noch überstehen...dachte ich...
Kurzum: grobe 18 (in Worten: achtzehn!!) Stunden später - also um 4h morgens - wurde der Konzertbetrieb eingestellt. Was dazwischen passiert ist, sollte ich aufgrund des öffentlichen Charakters dieses Texts nicht beschreiben. Vielleicht nur soviel: beiderseitig ging das Verhalten weit über jegliche Geschmacksgrenze hinaus, Kriegserklärungen unsererseits blieben ungehört und schließlich sind wir zu dem Schluß gekommen, daß Banda vor der Verwendung für Festivalmusik als Foltermethode eingesetzt worden sein muß. Anders kann ich mir als Fan von Livemusik nicht erklären, wie ich noch während der Konzerte Kopfschmerzattacken bekommen habe. Bisher kann mit diesem Effekt nur Metallica mithalten - und das wird wohl eher am Platz in der ersten Reihe und den Böllern am Ende gelegen haben.
Diese Veranstaltung hat meiner Fähigkeit zu Toleranz und Schmerzwiderstand alles abverlangt und ich war mehr als nur froh, heute morgen endlich fahren zu dürfen.
Für gewöhnlich pflege ich, zu den Wochenendveran-staltungen Abstand zu gewinnen, um dem Erlebnis - ob positiv oder negativ - Zeit zur Einordnung zu geben. Dieses Mal hab ich das mit Absicht nicht getan.
Aber, genauso wie jedes andere negative Erlebnis, zähle ich auch dieses zu einer wertvollen Erfahrung, da auch das mir gezeigt hat, daß das Leben im Ausland eben nicht immer nur Friede-Freude-sonstwas heißt, sondern genauso wie überall, auch mal so richtig nerven kann.
In dem Sinne freu ich mich jetzt auf zwei Dinge: den hauseigenen Fitnessraum, um meine angestaute Aggression abzubauen und das Kultur-Fest in Gdl, zu dem Deutschland als Gast eingeladen ist: bin gespannt, wie unser Land auf dieser Ebene in Mexiko gesehen und vertreten wird.
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